Ich versuchte meine Frau zu beruhigen, nahm Sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Im nächsten Moment schlug die Tür auf und die Schwestern stürmten zur Titel Musik von Top Gun in das Zimmer. In der einen Hand hielt die Schwester Beruhigungspille und die andere Hand zeigt auf das Bettchen. Im nächsten Moment zog die Karawane auch schon mit meiner Frau Richtung Aufzug. Wir konnten uns gerade noch verabschieden. Da stand ich nun auf weiter Flur ganz alleine und sah, dass die Schwestern die Unterlagen vergessen hatten. Ich raste also mit der Mappe in der Hand den langen Gang entlang, schob mich durch die Großfamilie und klaute denen den High Five mit dem Wehencocktail als ich zum Aufzug schoss. Dort angekommen öffnete sich die Tür und die Schwester nahm mir die Unterlagen aus der Hand. Noch bevor ich richtig nach meiner Frau sehen konnte schloss sich die Tür aber auch schon wieder.

Ich schlenderte wieder zurück aufs Zimmer, wo auch schon Vera am Mittag wartete. Der Hunger trieb mich aber wieder zurück Richtung Kiosk.

Öffnungszeiten von 8:00 – 12:00 und 13:00 – 18:00. Feiertags und kurz nach Weihnachten geschlossen. Stand auf dem Schild, welches ich am liebsten gegessen hätte, wenn es nicht hinter bruchsicheren Glas aufgehängt wäre. „Is der einzige hier“ Erklärt mir der blaue Morgenmantel mit dem Raucherhusten. Grinst und steckt sich eine Zigarette in den Mund als er und sein Tropf Richtung Aschenbecher schlendern.

Jetzt musste ich an meine Oma denken, die immer gesagt hatte „Na, du wirst ja nicht gleich vom Stängele fallen“ Wann genau ist der Zeitpunkt wenn man vom Stängele fällt??? Hätte ich doch auch nur eine von diesen Tabletten bekommen, dann hätte ich parallel schlafen können, ohne Hunger. Ich lutschte an einem Fruchtbonbon, das sich im Rucksack ganz hinten versteckt hatte. Die Zeit schien stillzustehen. Der Zeiger wollte und wollte sich nicht fortbewegen. Ich weiß gar nicht, wie lang ich da gesessen hatte. Andreas Hold löste Vera ab und Lenßen löste gerade einer seiner kniffligsten Fälle als meine Frau wieder zurück in das Zimmer kam. Sie sah ziemlich mitgenommen aus und war noch total verschlafen. Hinter den Schwestern tauchte die Ärztin auf und berichtet von nichts! Das war was sie gefunden hatten, nichts! Meine Frau nickt grinsend mit geschlossenen Augen und übergab sich dann im nächsten Moment. Die routinierte Ärztin wich wie ein Matador gekonnt aus, putzte sich schnell die Brille und erklärte, dass meine Frau die Narkose wohl nicht vertragen würde. Man müsste jetzt etwas abwarten, wenn es nicht besser werden würde, würden sie sie dabehalten. Während die Schwester die Schale tauschte winkte meine Frau ab. „ Alles gut, hab wohl nur was falsches gegessen“ Humor hat sie ja.

Ob es ihr dann wirklich besser ging oder sie sich nur zusammenriss um nicht die Nacht auf der Entbindungsstadion zu verbringen, wird wohl ein kleines Geheimnis bleiben.

Zu Hause angekommen erholten wir uns noch ein paar Tage von den aufregenden Nach-Feiertag-tagen. Die Hoffnung gaben wir nicht auf, wenn also bei der Bauchspiegelung nichts gefunden wurde, waren wir zumindest in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite. Haken dran. Ich lieg auf der Couch und beobachte die „verklag mich doch“ Nachbarn im Fernsehen als ich die Stimme von Atréju höre und Fuhur auf unserem Balkon parkt. Auf zum nächsten Abenteuer, es muss doch weitergehen. Ein aufgegeben wird nicht akzeptiert. Egal was kommt wir bleiben nicht alleine!

Hallo zusammen,

Ja, die unendliche Geschichte geht noch weiter …ich gelobe Besserung, öfter etwas zu schreiben.

Also fühlt euch ein bisschen wie Atréju auf dem Dachboden, schließt die Augen und spürt den Wind im Gesicht wenn wir gleich auf dem Rücken von Fuhur durch die Wolken fliegen …. Hallo, haaallllooooo! Bist Du eingeschlafen?? Ich blickte hinunter zu Fuhur und er schaut genauso ratlos zurück, während wir weiter durch das Blau des Himmels donnerten. Dann sagt er zu mir: Bist Du etwa eingeschlafen? Und im nächsten Moment formt sich Fuhur zu meiner Frau und mir wird bewusst dass ich nicht auf dem Rücken eines fliegenden Hundes sitze, sondern im Wartezimmer der Frauenärztin. Für einen kleinen Moment muss ich tatsächlich eingeschlafen sein. Was bei den anderen wohl für etwas Belustigung sorgte, führte bei meiner Frau nur zu einem verdrehen der Augen. Aber mal ehrlich, wer ist hier eigentlich für die Auswahl der Zeitschriften zuständig. Jeder hier weiß das Neuste über die Königsfamilie, aber keiner kennt das Facelift vom neuen Jaguar. Eine Bildungslücke, da ich das Facelift schon gesehen habe, folge ich mit erhobenen Haupt meiner Frau aus dem Wartezimmer.

Nach einem Gespräch mit der Frauenärztin stand nun fest, dass unser nächster Schritt eine Bauchspiegelung als Vorspiel hatte. Meine Frau vereinbarte ein erstes Gespräch in der Uniklinik. Nach einer kurzen Aufklärung und der Tatsache, dass keiner weiß was dahinter ist, gab es einen Termin für den Eingriff.

Zwischenzeitlich war schon wieder Weihnachten und der OP Termin folgte unmittelbar danach. Ausgenüchtert aber trotzdem leicht verkatert fuhr ich mit meiner Frau zum Termin. Wir sollten uns dazu an einem Mittwochmorgen um 6.30 Uhr nüchtern einfinden. Man muss dazu sagen, dass die Uniklinik 45 Minuten von uns entfernt ist. Dann am Nachmittag vorher klingelte das Telefon und man teilte uns mit, dass der Aufnahmetermin verschoben sei auf 11.00 Uhr – na immerhin konnten wir ausschlafen. Die Nervosität ließ uns aber dann doch nicht so gut schlafen. Als wir dann am OP Tag zur vereinbarten Zeit dort ankamen, wurden wir von einem vollen Wartezimmer überrascht. Wir hatten nicht mal einen Platz zum Sitzen. Na das konnte ja heiter werden. Nach gefühlten Stunden im gar nicht mehr so hygienischen Flur der Klinik erbarmte sich eine der Schwestern und sprach uns an. Allerdings nur um zu sagen, dass es wohl noch etwas dauern würde. Da ich aus Solidarität auch nichts frühstückte hatte ich schon überlegt ob ich mir etwas aus dem Schwesternzimmer nehme …. Da aber meine Frau befürchtete, dass wir dann ohne OP die Klink verlassen würden, hungerte ich weiter.

Mittlerweile war es halb eins und das Grummeln im Bauch nahm deutlich zu. Und nein, es war nicht die U-Bahn unter dem Krankenhaus.

Auf einmal ging alles ganz schnell. Jemand kam zu uns und sagte, es sei heute im ambulanten OP Zentrum kein Platz für uns. Gut, dass war dann eigentlich keine neue Information, schließlich hatte ich ja den ganzen Vormittag Zeit gehabt die Unterbesetzung zu beobachten.

Im nächsten Atemzug sagte die Schwester wir müssen auf die Entbindungsstation – dort wäre ein Zimmer für uns frei, wir müssten uns aber beeilen. Entbindungsstation!! Da war er wieder, dieser Moment wo man erkennt, dass wenn es einen Gott gibt, der Humor haben muss!

Wir also mit Sack und Pack zum Aufzug, ab in die Entbindungsstation. Der Flur kam uns unendlich lang vor. Wir meldeten uns bei der Schwester, die irgendwie noch nicht Bescheid wusste und sich erst einmal durchfragen musste. „Wir sind eine Entbindungsstation! Sie müssen hier mit ihrem Eingriff falsch sein!“ „ Ja, ich hatte mich auch schon gewundert, dass hier die OP Vorbereitungsräume mit bunten Störchen und Windeln ausgestatten sind, aber man hat uns hier her geschickt. Fragen Sie doch bitte in der unterbesetzten ambulanten OP Stadion nach.“ Was sie dann auch tat, allerdings nicht bevor sie mir meinen unterschwelligen Kommentar mit einem verzogenen Blick quittierte.

Nachdem das geklärt war, schwenkte Brunhilde auf VIP Modus um und begleitet uns zu unserem Einzelzimmer. Alles fühlte sich plötzlich wie bei den Geissens an. Ab da stellte sich dann auch die für mich die Frage: „Wer bezahlt das eigentlich?“ Wir bezogen die Suite auf der Entbindungsstation mit unverbautem Blick auf den Hinterhof und meine Frau zog das schicke gut sitzende OP Hemdchen an.

Ich ließ mich hungrig auf einen der Sessel gleiten und schweifte mit meinem Blick durchs Zimmer auch auf der Suche nach etwas essbarem … Wickelkommode, Windeln, Frau im OP Hemd und Tränen im Gesicht, Bett, Fernsehen … Fernsehen!! Aber irgendetwas hatte ich übersehe. Ich drehte den Kopf wieder zurück und blieb mit meinem Blick bei dem grünen Hemdchen hängen. Sie war total nervös und vielleicht auch etwas durcheinander. Da standen wir nun mit unserem Kinderwunsch in einem Krankenhaus, in einem Zimmer mit Wickelkommode. Während draußen vor der Tür eine Großfamilie mit schreiendem Kind einer Frau mit dicken Bauch und Wehencoctail mit High Five begegnete, standen wir da und kämpften mal wieder mit dem Schicksal um unser Glück. Wir wären doch auch so gerne aus einem anderen Gründen hier….

Kaufhausmusik

Veröffentlicht: 29. September 2014 in ICSI, Kinderwunsch, Kinderwunsch Klinik

Bei meinen Eltern zuhause im Keller hatte ich als kleiner Junge eine Kassette mit einem Endlosband gefunden. So eine, die uns früher im Kaufhaus einlullte und zum Kaufen verführen sollte. So fasziniert ich von diesem Band war, so erschreckend stellte ich nun fest, selber eines dieser Bänder zu sein. Und meins sprang nun wieder auf Anfang!

Die Wunden sind verheilt, die Narben bleiben, aber wie der Phoenix aus der Asche stehen wir wieder in Hamburg vor der Praxis. Da bei uns in Baden Württemberg ein Feiertag war und in der Hansestadt nicht, haben wir uns für diesen Tagesausflug entschieden. Zudem hat sich die Verwandtschaft meiner Frau zu einem verlängerten Wochenende bei uns angekündigt. Was ein langes Erlebniswochenende ohnehin zunichtemachte. Aber beginnen wir diesen Abschnitt unserer Geschichte ein paar Stunden vorher ….

Wir trudeln planmäßig auf dem Hauptbahnhof ein und warten auf den einfahrenden Zug. Dort eingestiegen wird meiner Frau bewusst, warum eine Sitzplatzreservierung an einem Feiertag auch morgens um 6 Uhr von Bedeutung sein kann und das ich wohl wieder einmal Recht gehabt hatte. Im Speisewagen angekommen, dreht sie sich zu mir um und sagt: ja, ja, du hattest doch Recht! Zufrieden?“. Böse kann ich ihr eh nicht sein, aber etwas schmollen dürfte drin sein, deshalb verdrehte ich einfach nur die Augen.

Nachdem wir uns dann doch einen Platz erkämpft hatten, lehnte sich meine Frau genüsslich zurück, rieb mir die nun erfolgreich eingesparten Kosten für die Reservierung und machte keine Anstalten eines dieser 1200 Seiten-Romane in einem Happs zu verschlingen. Für uns war das anstehende Gespräch ein letztes Fünkchen Hoffnung. Was wird er uns wohl sagen, wie geht es weiter, ist unser Weg jetzt zu Ende? Alles oder nichts war möglich. Wir bzw. eher meine Frau hatte sich ja schon relativ gut vorbereitet. Sie recherchierte im Internet, las sich durch Foren und Ratgeber und war schon fast ein wandelndes Lexikon.

Immer wieder versuchte sie mit einer immensen Geduld mir zu erklären, was für Möglichkeiten wir noch hätten. Ich habe mich schon gefragt, ob sie nebenbei ein Abendstudium in Medizin belegt hat.

Der Zug donnerte mit voller Karacho durch die Republik. Und da war er wieder. Er schlug mir die meine Men`s Health aus den Händen und grinste dabei fies aus der roten Zipfelmütze heraus. In dem Moment griff meine Frau meine Hand, drückte sie und die Mütze war auch schon wieder weg.

Nach 5,5 Stunden Zugfahrt kamen wir endlich in Hamburg an. Wir nutzten unseren eingebauten Puffer für einen Kaffee und besprachen nochmals unseren Plan. Nachdem trotz Stimulation ja immer so wenige Eizellen reifen, wollten wir nun den Arzt nach einem Wechsel des Protokolls fragen. Außerdem wollte meine Frau eine evtl. Bauchspiegelung mit ihm besprechen. Die Zeit schien und schien einfach nicht vorbei zugehen. Unser Termin war gegen Mittag vereinbart und wir waren total aufgeregt.

Natürlich trotzdem noch zu früh, schlugen wir dann 20 Minuten vor dem vereinbarten Termin in der Praxis auf. Den Weg kennen wir ja schon im Schlaf. Im Wartezimmer war wie immer, nichts los. Das ist etwas was wir beide an dieser Praxis schätzen. Wenn man einen Termin vereinbart hat, kommt man zu auch zu der vereinbarten Zeit an die Reihe und die Termine sind so gelegt, dass das Wartezimmer nie überfüllt ist.

Pünktlich auf den Glockenschlag kam unser Arzt und holte uns ins Sprechzimmer. Er fragte wie immer, wie’s und geht, ob die Anreise gut war, was unser Bahnhof macht. Ich hörte nur mit einem Ohr zu, weil ich eigentlich gleich zur Sache kommen wollte. Nachdem der Small Talk sein Ende fand, kam mir meine Frau zuvor. „Wir hätten uns ja nun eingelesen usw. und wären zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Möglichkeit ja wäre, das Protokoll zu wechseln, also vom langen Protokoll auf’s kurze. Außerdem würde ich gerne anhand einer Bauchspiegelung abklären lassen, ob ich Endometriose haben könnte“. Der Arzt hörte sich ihre Ausführungen geduldig an – sein Gesicht blieb dabei ein Pokerface. Als meine Frau fertig war und endlich wieder luftholte, meinte er nur locker, dass sie unseren Fall intern auch mit den Biologen besprochen hatten. Ihrer Meinung nach sei unsere Reise noch nicht zu Ende. Der Stein der mir vom Herzen fiel, schlug ein Loch in den Boden bis zum Erdgeschoß. Er würde auch vorschlagen, dass wir das Protokoll wechseln und auf das kurze umschwenken. Außerdem könnte man evtl. durch ein anderes Stimulationsmedikament bessere Ausbeuten erzielen. Eine Bauchspiegelung hielte er in unserem Fall nicht für notwendig, wenn uns dies aber keine Ruhe ließe, sollten wir sie durchführen lassen. Den Rest nahm ich nur noch durch einen Vorhang wahr. Innerlich verteilte ich nämlich gerade Bier an alle zum Anstoßen. Für mich war eigentlich nur wichtig, der Weg ist nicht zu Ende. Als dann alle mit Bier versorgt waren legte ich noch etwas Musik auf. Auf dem Weg zum Zug summte und Pfiff ich diverse Hits. Für den Rückweg hatten wir übrigens noch einen Platz im Zug bei Ankunft reserviert – und der Sorgenzwerg muss wohl entweder auf der Reeperbahn versumpft sein oder hat nicht mitbekommen wo wir saßen …

Blogschwestern

Veröffentlicht: 2. Oktober 2013 in Uncategorized
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Wir freuen uns, dass wir nun auch Teil der Blogschwestern geworden sind – ja auch Blogbrüder können da mitmachen – und sind stolz, dass wir die Männerquote verbessern 🙂

Den Link dorthin findet ihr links 😉

Ich weiß, ich habe lange nicht geschrieben, aber verspreche, dass es schon bald ein Update gibt. Ich hoffe, ihr bleibt mir trotzdem treu.

 

 

Sorgenzwerge sind nicht zu bremsen

Veröffentlicht: 8. Mai 2013 in Uncategorized

Da stand ich nun im fünften Stock, im Treppenhaus und war mir selber nicht mehr ganz so sicher. In solchen Situationen kann man förmlich spüren wie die Knie weich werden und die Kraft aus dem Körper schwindet. Und da waren sie wieder die Zwerge. Es war wohl unübersehbar, dass ich aktuell mit den Treppen überfordert gewesen wäre, deshalb holte ich mir für das eine Stockwerk den Aufzug. Im vierten Stock angekommen wurde ich gleich in das Separee durchgereicht. Dort noch schnell ein Formular ausgefüllt und dann das Video an. Etwas später stand ich beim Bäcker und besorgte mir ein kleines Frühstück, Kaffee und ein Croissant. Damit bewaffnet streifte ich durch die Hamburger City, wie ein Wolf in seinem Revier. Um mich irgendwo hineinzusetzen war ich viel zu aufgeregt. Über die Bewegung versuchte ich meine Nervosität abzubauen. Nach langem hin und her stand ich dann ungewollt vor einer Kirche. Eigentlich hatte ich nach unserer langen Geschichte kein richtiges Vertrauen mehr zu unserem Hirten, aber schaden konnte es auch nicht. Also betrat ich die Kirche, zündete eine Kerze an und lauschte dem Chor beim Proben.

Wieder auf der Straße klingelte mein Telefon, die Nummer von der Praxis war auf dem Display. „Hallo, hier ist die Praxis. Ich rufe wegen der Spermaprobe an. Also, wir konnten der Probe kein verwertbares Material entnehmen. Möchten sie noch eine zweite Probe abgeben?“ Ich legte auf und sah einen der Zwerge wie er auf die Uhr starrte. Da ich immer in kleiner bis größeren Kreisen um die Praxis herum streunte war ich innerhalb der nächsten zehn Minuten wieder im vierten Stock. Die Hoffnung aber war dahin. Wie kann das sein? Es hatte doch schon einmal geklappt. Und nun?? Wenn in der ersten Probe nichts zu finden war, wie groß waren wohl die Chancen, dass in einer zweiten, kurz hintereinander mehr zu finden sein sollte. Die Zwerge wichen keinen Schritt von mir und begleiteten mich auch in das Separee.

Der Ablauf war bekannt, einer der Zwerge beschwerte sich über die Videoauswahl. Wieder zurück im Flur sagt ein andere Zwerg zu mir „Wie soll das denn jetzt noch zu schaffen sein??“ Ein anderer meinte „Das ist von vornherein ein schwieriger Start gewesen und nun hat er es voll vermasselt.“ „Ja, das soll er mal seiner Frau sagen, die liegt hier irgendwo im OP und muss die ganze Last alleine tragen.“

Ich war in der Tat verzweifelt. Der dritte Versuch und so ein Start. Ich verbrachte die restliche Wartezeit im Wartezimmer und sucht mir dort einen freien Platz zwischen den ganzen Zwergen. Meinen und denen der anderen wartenden Männer. 

Dann ein Zeichen meiner Frau, eine erste Nachricht übers Handy. Allerdings auch keine gute. Drei Eier waren wohl nach Ihrer ersten Vermutung geborgen. Ich versucht sie zu beruhigen, soweit das über einen Handy-Chat möglich gewesen war. Sie meinte, das hätte sie im Halbschlaf von einer der Schwestern erfahren. Jetzt da ihre Narkose etwas nachgelassen hatte, konnte sie wohl auch in den Bericht spicken, der auf dem kleinen Tisch am Bett lag. „DREI“ stand auf meinem Handy, neben einem Smiley, welches die Mundwinkel in die falsche Richtung bog und Tränen im Gesicht hatte. „Sag ich doch, schlechter Start und noch nicht mal richtig in der Halbzeit, da geht euch schon die Puste aus, Versager.“ Hörte ich aus einer Zipfelmütze brummen die sich über mein Handy beugte. „Verschwinde Du Aasgeier, Du und das ganze verdammte Pack!! Ihr seid jetzt die letzten die ich gebrauchen kann.“

Ich war etwas verzweifelt. Und das umschreibt es nur bedingt, was ich in dem Moment fühlte. Ich hatte kaum noch Kraft für mich selber. Um an eine Sache zu glauben die schwieriger zu sein scheint als wir das je angenommen hatten. Dann teile ich meine Kraft mit meiner Frau, um zu verhindern, dass wir beide in ein tiefes Loch fallen aus dem wir nicht mehr zurückfinden würden. Und jetzt … In der Spermaprobe nichts drin und nur drei Eizellen. Bisher hatte es nur einmal geklappt und da kam nichts aus dem Eis. Das waren keine guten Voraussetzungen. Ich versuchte meine Frau via Handy zu beruhigen. Zusammen warteten wir auf den Doc, der sie wieder zurück in meine Obhut entließ. Zurück im Hotel, spielte sich ein gewohntes Szenario ab. Meine Frau schaffte es noch auf das Bett und schlief sofort wieder ein, während ich mich dem bekannten Hartz Vier Programm auf den privaten Sendern zur Verfügung stellte. Abends gab es dann die übliche Tomatensuppe vom Supermarkt für meine Frau und für mich eine riesen Pizza von Joe. Alles altbekannt. Am nächsten Tag war der Schmerz der OP besser, die Hoffnung aber noch immer auf dem Tiefpunkt. So weit es möglich war verließen wir unser Verließ und erkundeten Ecken in Hamburg die wie noch nicht kannten oder gingen auf Outlettour. Ein Besuch  im Schokoladenmuseum schaffte uns beide. Das Wetter war nicht besser geworden. Es regnete noch immer. Ich glaube es gab seit Neustadt keinen Tag mehr ohne Regenschirm.

Zurück im Hotel war es dann soweit. Wir warteten schon die ganze Zeit auf den Anruf. Und dann kam er. Wir starrten beide auf das Telefon. Ich ging ran und musste dann das Telefon weiterreichen. Mir war klar was jetzt kam. Ich hörte zwar jedes Wort vom Doc, das war aber nicht nötig. Meiner Frau liefen noch während des Gesprächs die Tränen über das Gesicht. Er erklärte noch welche Medikamente zu nehmen sei und irgendwas von wir sollten nicht traurig sein und erst einmal eine kleine Pause machen. Wir standen und lagen uns eine gefühlte Ewigkeit in den Armen. Jetzt fehlten auch mir die Worte. Verlorene Hoffnung verwandelte sich in Wut und Verzweiflung mit der Ohnmacht nichts daran ändern zu können. Ich hatte keine Lust mehr … keine Lust mehr auf Hamburg, keine Lust mehr länger in diesem Zimmer zu sein, keine Lust mehr auf Geruch nach Praxis, keine Lust mehr Ewigkeiten im Zug für einen Ultraschall zu sitzen, keine Lust auf das hier. Wir packten unsere Koffer. Der Urlaub war für uns beendet. Dabei hatten wir noch fast eine ganze Woche als Puffer eingeplant. 

Die Sorgenzwerge schlagen zurück

Veröffentlicht: 26. April 2013 in Uncategorized

… „Also, der rechte Eierstock scheint mehr Follikel zu tragen als der Linke. Hier sind es drei, vier und auf dem Linken … mmmhhhh zwei oder drei. Aber die sind noch etwas klein.“ Der Zwerg war an meiner Hose hochgeklettert und wollte sich gerade an die Arbeit machen als der Doc nochmal auf den Ausdruck schaute und sagte „Aber alles in allem, gut!“ Der Zwerg und ich wir sahen uns tief in die Augen. Mein Gesicht entkrampfte und verwandelte sich in ein Lächeln, während dem Zwerg die Selbstsicherheit sichtlich in die Hose rutschte. Ich nahm den kleinen Zipfelmützenträger am Schlawittchen und pflückte ihn von meinem Pulli.Während sich unsere Blicke intensivierten, öffnete ich mit dem Fuß den kleinen Eimer am Ultraschallgerät und ließ den Wicht mit einem lauten Knall in den Eimer voll mit Glibber segeln. Ich nahm den Fuß vom Öffner und der Eimer schloss sich unter lautem Gebrüll, das wohl nur ich hören konnte. Ohne zurück zu blicken, schloss ich mit einem leisen „hasta la vista“ als Letzter die Durchgangstür vom Behandlungszimmer zum Ultraschallraum. Gefühlte 10 Minuten später und einige Blutproben leichter saßen wir wieder im Auto auf dem Weg nach Neustadt in Holstein. Unserem gebuchtem Feriendomizil. Ein Hotel mit direktem Standzugang und ebenfalls bereits gebuchtem Massagepaket. Dort angekommen bezogen wir in Windeseile die frisch renovierte „Pärchen-ohne-Kind“ -Suite. Koffer rein, Koffer auf, Strandmatte raus, Badehose an und ab an den „direkten Standzugang vom Hotel aus“, wie er im Internet angeboten wurde. Der sich allerdings zu Fuß gute 10 min zog oder vielleicht sich auch nur mit dem Fahrrad oder Roller als direkten Zugang erleben ließ. Aber egal, schließlich waren wir im Schwanger-werden-Urlaub und da ist kein Platz für böse Gedanken. Da lagen wir nun, wie die Aale in der Auslage … ganz alleine am Strand an der Ostsee. Außer Hundebesitzer, die verbotener Weise ihre Hunde durch den Sand führten war weit und breit kein Tourist zu sehen. Nicht einmal der Strandkorbverleiher war vor Ort um seine Körbe zu günstigen Preise an Touristen zu verschachern. Vielleicht lag es auch an den gefühlten 17 Windstärken, bei denen selbst Mary Poppins Schwierigkeiten beim Aufspannen ihres Regenschirmes gehabt hätte. Wir sind zwar keine Ur-Schwaben, aber Schwaben in erster Generation, also quasi mit Emigrantenhintergrund. Das reichte vollkommen aus, um nach dem Motto „bezahlt ist bezahlt“ solange am leeren Orkan Strand liegen zu bleiben, bis meine Haut so rot war wie der Hummer auf meines Fischtellers bei Red Lobster in Miami. Mit Verbrennungen fünften Grades, welche nur ich hatte und Sand an Stellen des Körpers, die nur meine Frau und der Urologe kennen, trafen wir wieder im Hotel ein. Da hatte ich im Hotel wohl meine Frau überhört, als sie mich vor der Sonne gewarnt hatte und mir anscheinend mehrfach sagte, dass ich mich vorher eincremen sollte. Ich blieb stur bei meiner Version, dass sie sich heimlich eincremte und mich mal wieder ins offene Messer laufen ließ, was meine Frau mit einem Augenrollen quittierte. 

 Zurück im Hotel erwartete uns auch schon die Dame von der Massage. Im Voraus hatten wir für jeden das volle Programm gebucht. Das Wellnesshotel entpuppte  sich zwischenzeitlich mehr und mehr als eine kleine Familienpension, welche mit dem Generationenwechsel und den damit verbundenen Umbauten im Haus noch nicht ganz abgeschlossen hatte und anscheinend auch finanziell etwas überfordert schien. Der örtlichen Masseurin wurde ein kleiner Kellerraum für das Zusatzangebot zur Verfügung gestellt, welcher lediglich über eine Außentreppe im Garten zugänglich war. Im Garten hielten sich aber die meisten der anderen Gäste auf, worauf ich aber später noch einmal zurück kommen werde.

Als echter Gentlemann ließ ich natürlich meiner Frau den Vortritt. Während sie also über den Garten und der Außentreppe den Massagekeller aufsuchte, gönnte ich mir etwas Schatten auf der Terrasse und las in meinem Buch. Nur kurze Zeit später fing es an zu regnen. Erst ein paar Tropfen und dann kam plötzlich das schwarze Nichts aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“. Die Hotelgäste und ich schafften es gerade noch rechtzeitig ins trockene Innere und schauten von Fenster aus auf das Ende der Welt. Auf das und meine spärlich bekleidete Frau, welche von dem Massagekeller aus die Außentreppe hoch kam und mit dem Handtuch bekleidet über den Garten zurück ins Hotel rannte. „Wieso hast du nichts an?“ „Weil ich voll mit diesem Massageöl bin und keine Lust habe meine ganzen Klamotten zu ruinieren. Nimm dir also bitte ein großes Handtuch mit, muss ja keinen zweiten Teil von „Rasenflitzer“ geben.“ Gesagt getan. Mit dem Handtuch bewaffnet und in Sportklamotten gekleidet kämpfte ich mich durch den Sturm zur Massage. Und meine Frau hatte mir nicht zu viel versprochen. Ich war total entspannt und entgiftet, aber auch voller Öl. Jede Pommes hätte weniger Fett gezogen als ich. Ich versuchte vergebens mich trockenzureiben und so kam es, dass auch ich alleine mit dem Handtuch bekleidet den Weg zurück ins Zimmer suchte. Dieser führte aber wieder durch den Jahrhundertsturm, vorbei an dem Panoramafenster und durch den Aufenthaltsraum des Hotels, welcher wetterbedingt so voll wie das Wartezimmer beim Hausarzt bei einer Grippewelle war. Im Zimmer angekommen wollte ich nur noch duschen. Ich war so ölig, dass das Wasser ewig brauchte, damit meine Haut wieder atmen konnte. Zwischenzeitlich regnete es sich so richtig in Rage und wir bekamen Hunger. Auf Nachfragen bei der Herbergsmutter fuhren wir ins Dorfzentrum und suchten das empfohlene Fischrestaurant. Das war nicht besonders schwer, denn es gab nur ein Hafenrestaurant. Zwei Doraden später fuhren wir völlig erschöpft zurück in die Pension und ließen uns nur noch ins Bett fallen.

Am nächsten Tag hatten wir einen Ausflug nach Kiel geplant. Es waren die Kieler Wochen und wenn wir schon einmal in der Nähe waren, wollten wir uns das Spektakel nicht entgehen lassen. Wir verbrachten den ganzen Tag damit, uns von Stand zu Stand durchzufuttern und sämtliche Spezialitäten, die dieser Planet hergab zu testen. Das Wetter änderte sich allerdings nur wenig. Zwar war es noch immer angenehm warm und der Regen vom Vortag hatte sich etwas gelegt, blieb aber weiter in sichtbarer Lauerstellung. Das sollte dann auch unser letzter schöner Urlaubstag werden. Der Regen holte uns am Abend ein und regnete komplett für die nächsten Wochen durch.

Wir machten trotzdem das Beste daraus und drückten uns mit den ganzen Familien, die nun das gleiche Problem hatten wie wir auch, durch die wenigen Museen und Ausstellungen. Mit der Zeit stumpft man ab und es macht mir tatsächlich nicht mehr so viel aus wie früher einmal. Nein, es ist sogar eine Wohltat, wenn die Autotür zu geht und kein Geschrei oder Gezeter mehr zu hören ist. Dann aber blicke ich wieder durch die fast schalldichten Autoscheiben nach einem Vater, der versucht seinen Sohn aus der Pfütze zu ziehen und freue mich auch ein bisschen auf das was auf uns wartet. Die folgenden Tage waren trotz des schlechten Wetter pure Erholung. Wir unternahmen viele Ausflüge und lange Spaziergänge, aßen viel Fisch und schauten uns abends die Fußballspiele der EM in der Dorfkneipe an. Jedenfalls so weit dies ging. Denn nach der Halbzeit verblieben uns noch ca. 10 Minuten, dann war das Zeitfenster vollständig ausgereizt um noch rechtzeitig das Puregon zu spritzen. Mit etwas Glück reichte es für die letzten fünf Minuten Spiel auf dem Zimmer, je nach Verkehrslage.

Die Tage vergingen und unser Termin rückte immer näher. Wir reisten in Neustadt ab und suchten unser Hotel in Hamburg wieder auf. Bevor wir aber in Hamburg den Koffer auspackten gönnten wir uns über eine ausgesuchte Route diverse Zwischenstopps. So kam es, dass wir in Bad Schwartau beim Fabrikverkauf eines bekannten Marmeladenherstellers, dessen Name ich aber nicht nennen möchte, Halt machten, in Travemünde am Hafen flanierten und am Timmendorferstrand gegen den Wind ankämpften. Am nächsten Tag war es soweit, meine Frau hatte die Punktion und ich mein Spermiogramm. In der Praxis spielte sich nun ein uns bekanntes Schauspiel ab. Ich brachte meine Frau in den fünften Stock und kam bis zum Empfang. Dort musste ich mich verabschieden. Wir machten uns gegenseitig Mut. Das hatten wir bereits die letzte Woche intensiv geübt. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Ich flüsterte ihr ins Ohr „Das schaffen wir, wir rocken das Ding hier, wir haben schon so viel erlebt, das hier stecken wir auch weg und es kommen dann gute Zeiten, schöne Zeiten. Wir sind ein Team und nichts kriegt uns unter!“ Worte, die die Damen wohl öfters hörten uns aber Kraft und Selbstsicherheit geben sollen oder wenigstens vermitteln möchten. Die Damen trennten uns verständnisvoll aber auch sehr bestimmend. Wir blickten uns noch einmal tief in die Augen und dann schloss sich auch die schwere blickdichte Tür zwischen uns zwei.

Eine ganze Weile habe ich nun nicht mehr über unseren Kinderwunsch geschrieben. Wie geht die Geschichte weiter? Hat sie bereits ein Happy End? Oder bleibt sie eine never ending Story … Sind wir vielleicht schon schwanger … Haben wir vielleicht auch schon aufgegeben. Ein dritter Versuch stand doch noch an … Ja, das ist richtig … wir hatten noch einen bezahlten Versuch von der Kasse frei….

Das Schreiben fällt mir nicht immer leicht. Immerhin mach ich mir beim Schreiben unserer Geschichte immer wieder intensiv Gedanken über das Erlebte. Oma sagte immer, wenn du den Schorf von der Wunde abkratzt, dann wirst du dort eine Narbe behalten und die Wunde kann nicht so gut verheilen … Es fällt mir leichter mich hinter der Arbeit oder dem Alltag zu verstecken als zu schreiben. Verdrängen als Form der therapeutischen Auseinandersetzung! Trotzdem und nach mehrmaliger Ermutigungen meiner Frau möchte ich nun über uns und den Wunsch nach einem anderen Leben weiter berichten.

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Die Sorgenzwerge

Wir hatten einen tollen Urlaub in den USA verbracht. Hatten Erlebnisse und Bilder gespeichert, von denen wir immer wieder zehren. Die Realität holte uns aber ziemlich schnell wieder ein und da war es wieder … Das Gefühl in der Magengegend. Meistens Abends oder Nachts. Es waren die Zwerge die Nachts an deinem Bett stehen. Die Sorgenzwerge! Man munkelt, dass sie sich gewerkschaftlich zusammengeschlossen haben und mit den bisher erreichten tariflichen Vereinbarungen sehr unzufrieden sind. Das macht sie dann noch schlechtgelaunter als es in der Jobbeschreibung eh schon steht. Sie lauern am Bettrand und spüren wenn du nicht einschlafen kannst. Dann ergreifen sie die Chance und springen dir auf deinen Bauch, suchen sich gekonnt die Magengrube und veranstalten ein Tabula rasa. Sie flüstern dir in deine Gedanken „Du wirst nicht jünger, hast nichts erreicht, dir läuft die Zeit davon, wie soll es jetzt denn weitergehen, du hast doch gar keine Ahnung, wem willst du was mit deiner Fassade vormachen?? Du bist doch innerlich zerfressen von deinen Selbstzweifeln….“ Nacht für Nacht erledigen sie ihren Job und sie sind wahre Meister ihres Fachs. Solche hartnäckigen Sorgenzwerge hatte ich schon lange nicht mehr am Bett stehen. Gegen solches fieses Pack gibt es auch nur ein Mittel, man muss allen Mut zusammen nehmen und sich diesen Zwergen stellen. Das bedeutet in unserem Fall, dass wir wieder anfingen über den dritten Versuch zu sprechen. Wir überlegten, diskutierten und planten.

Nachdem der Sommer seinen Höhepunkt erreichte und wir auch schon wieder urlaubsreif waren, legten wir den Versuch in eine Ostseereise. Das machte uns es auch einfacher die vielen Aufenthalte in Hamburg zu deklarieren. Der Doc wurde über unser Vorhaben informiert, was er mit einem neuen Behandlungsplan würdigte. Nachdem die letzte Unternehmung in dieser Mission bereits im Vorjahr lag, musste wir auch die Zustimmung der Kassen einholen, was aber kein Problem war und relativ zügig von statten ging.

Mit dem Ablauf waren wir ja bereits vertraut. Die Voruntersuchung legten wir auf einen Montag, das bedeutet, dass wir am Sonntag in Hamburg eintrafen und dann am Montag wieder im 14 Uhr Zug nach Hause saßen. Die Woche darauf hatten wir ab Donnerstag Urlaub um dann wieder am Freitag in der Praxis zu sitzen. Aufgrund der bisherigen Versuche kannte der Doc die Wirkung des Puregon auf meine Frau und mich! Die Dosis der einzelnen Spritzen waren höher als bisher, was damit auch die Dauer der Spritzenzeit verkürzte. Der Termin zur Punktion war auf eine Woche später prognostiziert. Insgesamt planten wir also zwei Wochen, eine um die Perle der Ostsee zu erkunden und die andere um im Hotelzimmer zu sitzen und auf einen Anruf zu warten. Wir packten also für die zwei Wochen Expedition wie für eine Auswanderung, was auch unseren treuen Kombi, der eigentlich nur zwei Ladezustände kennt, randvoll oder einfach nur leer, an den Rand des zulässigen Gesamtgewichts brachte.

Die erste Stadion war das schöne Neustadt in Holstein. Wir hatten ein Hotel direkt am Strand gebucht und nutzten das Angebot einer Ganzkörpermassage.Wir genossen die Sonne und schwelgten in vollkommener Entspannung. Wir genossen es genau zwei Tage! Zwei Tage, bis es anfing Hunde und Katzen zu regnen und das von morgens bis abends. Die Temperaturen fielen und fielen und wir tauschten die kurzen gegen die langen Sachen. Aber es gibt ja kein schlechtes Wetter, es gibt ja nur schlechte Klamotten. Unser Programm wechselte von Strand auf Sightseeing was bedeutete, dass wir uns unter die Familienurlauber mischten. Nichts desto trotz waren viele Spaziergänge auf dem Programm. Gleichzeitig war die Fußballeuropameisterschaft, gute Stimmung und guter Fußball  zum schlechten Wetter. Unbedacht, was für uns ja mittlerweile untypisch war, legten wir den Spritzentermin wieder in die Abendstunden, was uns regelmäßig von der Fanmeile in das Hotel zurück rief. Die Woche verging und wir waren wieder auf dem Weg zurück nach Hamburg. Dort eingecheckt ging es wieder zur Untersuchung. Wir waren sehr gespannt. Denn bisher zeigten sich nur einige Eibläschen auf dem Ultraschallbild. Der Doc beruhigte uns wieder mit seiner Philosophie: „Wissen sie, das ist doch wie beim Wein. Es zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität.“ Ja, den Spruch kannten wir bereits. Mir wäre es aber lieber, ich würde dies in der Vinothek hören als am Ultraschallgerät. „Das überprüfen wir jetzt aber mal“ sagte er während er die Gerätschaft vorbereitete. Und im selbem Moment zieht mir jemand am Hosenbein. Ich schaute an mir herunter und erkannten einen Sorgenzwerg. Ich blickte zum Doc und zu meiner Frau aber ich wohl der Einzigste im Raum der den Zwerg mit seiner roten Zipfelmütze sah. Ich blickte wieder zu meinem Hosenbein und sah ihm direkt in die Augen. Wir wussten beide Bescheid was nun anstand.

 Ich höre dumpfes Geschrei und Gejohle. Drei – Vier – die Zahlen werden immer lauter und deutlicher. Ich öffne zuerst das linke und dann das rechte Auge. Alles ist noch etwas verschwommen und wie der Sound im Hintergrund auch etwas undeutlich. Langsam aber sicher zeichnet sich ein Mann im blauen Hemd ab der immer wieder mit dem Finger von oben herab auf mich zeigt und zählt. Ich blicke mich um und versuche die Lage zu checken. Ein Blick an mir herunter reicht vollkommen aus. Looks like a boxer! Der Hammer, was für riesige Handschuhe! Ich hebe die Rechte in die Höhe um zu prüfen wie schwer die Handschuhe wohl sind und höre dabei plötzlich die Masse aufschreien. Der Typ im blauen Hemd zieht ruckartig an meinem erhobenen Arm und stellt mich wieder auf. Ich blicke um mich und erkenne dabei die unterschiedlichsten Figuren. Von weiten kann ich ne Krankenschwester aus der Hamburger Praxis erkennen , wie sie mir mit dem Stapel DVD`s zuwinkt und dabei brüllt: “Wir haben neue Filme, schauen sie doch mal wieder rein!“ ich zwinker ihr zu und hoffe das dieses mal was ordentliches dabei ist. Aus dem Augenwinkel kann ich Tante Ju und ihren chinesischen Zwangsarbeiter erkennen. Sie stehen Spalier und strecken erhobenen Hauptes ihre Stricknadeln in die Luft im Duett singen sie: “ Was Du brauchst, ist ein Stich an der richtigen Stelle mein Jung, Komm doch mal bald wieder ….wieder vorbei…“ Dabei kenne ich diese Melodie gar nicht. Einzig die Chinesische Zither, die das Ganze musikalisch untermalt kommt mir dabei sehr bekannt vor.

Am Ring kann ich Doc Adoption erkennen, wie sie mir mit einem weißen Handtuch zuwinkt: “Komm lass gut sein, wir wissen doch beide, das wird so nix!“ So langsam bekomme ich einen klaren Kopf und fange auch an den Rest meines Körpers zu spüren. Demnach befinde ich wohl schon eine länger Zeit im Ring. Mir tut alles weh. Mit meiner Zunge fahre ich mir über mein, laut Zahnarzt, ach so tolles Mustergebiss und spüre die Bestätigung für eine längere Anwesenheit im Ring. Mein Bauch meldet sich bei mir:“ Hallo, halloooo, na sind wir dann auch wieder da ??? Man hör endlich auf mich und lass uns hier verschwinden!! Wenn ich nochmal eine kassiere dann schick ich Dir das Grillfleisch von gestern retour! Alles verstanden?!“ Ich versuche mich nach einem Gegner umzusehen und kann aber nur eine hell erleuchtete Wolke in der gegenüberliegenden Ecke erkennen in der der Schiri seine Hand hineinhebt und immer wieder brüllt: Zurück in deine Ecke, zurück!“ Dort also muss der LKW stehen, der mich überfahren hat. Der Schiedsrichter läuft auf mich zu: “Man das schaut echt nicht gut aus, das sollte man nähen“ und zeigt dabei in meinen Schritt und dann auf Tante Ju. „Bist Du sicher, dass Du weitermachen möchtes? Du machst doch nur mehr kaputt als eh schon ist!“ Ich versuch mir mit der Hand durchs Haar zu fahren und donner mir dabei selber eine. Ich schau dem Schiri ins Gesicht und bekomme dabei nur ein „Hääh?“ heraus. Er schüttelt ungläubig den Kopf. „Musst Du selber wissen!“ Er gibt mir einen Stoß in Richtung meiner Ecke wo ich mich stolpernd auf einem Schemel plumpsen lasse. Meine Mutter fächert mir mit einem Handtuch Luft zu und brüllt „Komm schon! Was soll ich den den anderen sagen??? Häh?? Dass mein Sohn ein Versager ist und aufgegeben hat. Dass ich nie Enkel haben werde, weil mein Sohn ein Mädchen ist! Was ist los mit Dir?“ Hop Sing aus dem Hamburger Thairestaurat hebt mir ein H12 unter die Nase „Ess was, das gibt Kraft. Konfuzuis sagt: Ohne Mampf kein Kampf!“ Der Hamburger Doc schüttet mir einen Eimer mit Wasser ins Gesicht „Einmal geht noch. Alle guten Dinge sind Drei!“ Dabei stelle ich fest, dass es kein Wasser im Eimer war sondern Astra – Kiezbier. Ich schlecke mir gerade über die Lippen als auch schon ein Gong ertönt. Der Doc zieht mir den Schemel weg und stößt mich in die Mitte des Rings. Der Richter schüttelt noch immer den Kopf „Du weißt wohl nicht wann Schluss ist“ er brüllt ein „Kämpft“ und macht sich selber wieder dünne. Die weisse Wolke kommt immer näher auf mich zu. Ich schlage wie verrückt immer wieder in das Licht, ohne etwas spürbar zu treffen. Und dann kam es wie es kommen musste. Ich sah wie ein goldener Handschuhe mit Verzierungen und bunten Kirchenfenstern auf mein Gesicht zu rast und dann….. Ich öffne die Augen … alles nur ein Traum. Ich liege neben meiner Frau im Bett. Ich greife nach ihrer Hand und schließe die Augen wieder.

Unser zweiter Versuch ist nun schon ein paar Wochen her, aber loslassen kann ich trotzdem nicht. Ich muss ständig daran denken und wenn ich es nicht tue ist mein soziales Umfeld so nett und erinnert mich daran „Na, und wann ist es bei euch so weit?“ Ich bekomme schon einen Würgereiz wenn ich so was höre. Wir meiden gezielt Ansammlungen von Kindern mir ihren glücklichen Eltern und verstecken uns wieder erfolgreich hinter der Arbeit im Büro. So produktiv war ich schon lange nicht mehr, ganz abgesehen von den Überstunden die ich in diesem Leben gar nicht mehr abfeiern werden kann. Wir entschieden uns für den dritten Versuch ausreichend Zeit zu nehmen. Klar könnte man sagen, Mensch das war doch erst der zweite Versuch, lasst euch doch nicht gleich hängen. Ja, aber wir waren doch so nah. Und wir haben doch auch schon soviel durchgemacht. Die Zeit vergeht trotzdem und Weihnachten steht wieder vor der Tür. Wir haben uns entschieden nicht in die Kirche zu gehen. Auch den sonst so guten und auf jung getrimmten Begegnungsgottensdienst kann uns gestohlen bleiben. Warum gibt es so viel Ungerechtigkeit auf dieser Welt? Wenn es doch einen Gott gibt, warum lässt er das alles zu? Und ich glaub nicht, dass da ein System oder ein „alles hat seinen Sinn“ Gedöns dahinter steckt. Ich bin erst einmal beleidigt und schmolle. Der Pfarrer der uns getraut hatte winkt mir aus dem Bäcker zu, dass der mich überhaupt erkannt hat! Ich dreh mich um nur um sicher zu sein, dass er mich gemeint hat. Als ich dann Dritte auszuschließen konnte schlug ich einen Haken und lief ohne eine Miene zu verziehen in entgegengesetzter Richtung weiter. Weihnachten hatten wir also ohne Segen, dafür aber mit unserer Familie und ganz viel Schnapsmemorie (wer ein falsches Pärchen aufdeckt, muss einen Pin trinken) verbracht. Wir planten außer unserem Urlaub nichts weiteres. Für eine große Reise hatten wir uns entschieden. In die engere Auswahl schaffte es Südafrika oder Amerika. Letztendlich wurde die USA mit unserer Buchung beglückt. Die Monate vergingen und damit tatsächlich auch die ständigen Gedanken um unser Problem. Wir hatten eine Woche New York und 9 Tage Florida gebucht. Wobei wir Florida ohne Vorbuchungen und ganz auf eigene Faust erkunden wollten. All diese Planungen und die nicht abnehmende Tagesbeschäftigung im Büro schafften es tatsächlich dass ich nicht mehr an unseren Kinderwunsch denken musste. Weder in unserem Urlaub, noch kurz davor oder auch auch danach, nicht. Selbst die Kinder in meinem Umfeld konnten mir nichts mehr. Wir hatten auch langsam wieder Kontakt zu Freunden die bereits Kinder haben und wir sie deshalb gemieden hatten. Was mich aber bisher in unseren ganzen Kinderwunschzeit nicht belastet hat, war der Kontakt zu meinem Patenkind. Ganz im Gegenteil wir hatten sogar intensiven Kontakt, waren auf dem Kindergeburtstag, haben sogar Trips alleine mit ihm unternommen und hatten einen Riesenspaß. Warum das so ist und wieso das Verhältnis so unbeschwert bleibt kann ich mir bis heute nicht erklären, aber es tut unheimlich gut. Ein dritter Versuch stand bei uns für mehrere Monate nicht einmal zur Diskussion. Natürlich werden wir es weiter versuchen, aber nicht jetzt und morgen auch nicht gleich. Dass wir nicht jünger werden und dass uns vielleicht die Zeit davon laufen könnte war bisher meine größte Sorge aber sogar dieses Bauchgefühl rückte in den Hintergrund. Wenigstens für die Zeit bis zum nächsten Versuch.

Wir verlassen Hamburg mit einem lachendem und einem weinenden Auge. Ich bilde mir auch ein, dass unsere liebgewonnen Hamburger Mitmenschen das spüren auch wenn wir nie offen über unsere Beziehung gesprochen haben, da ist was vertrautes. Beim Auschecken im Hotel bemerkte ich einen wehmütigen Untertun in der Stimme der Empfangsdame. Auf dem Weg Richtung Autobahn kamen wir an dem Thailänder unseres Vertrauens vorbei. An der Ampel stehend blicke ich in die Wokküche, Hop Sing winkt uns zu und wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. Meine Frau meinte zwar, dass er bestimmt kurz vorher Zwiebeln geschnitten hätte, was ja nicht abwegig erscheint, aber Hop Sing und ich kennen die Wahrheit. Ich winke zurück und dann wird die Ampel auch schon wieder grün.

Als wir wieder zurück sind holt uns der Alltag schneller ein als uns lieb ist. Klar, das Einzige was ich mit mir herumtrage ist meine Plauze. Und da bin ich mir ziemlich sicher, dass die sich weiterentwickelt, da brauche ich kein Doc der mir das per Blutest bestätigt. Anders als bei meiner Frau. Wir fiebern und warten. Wir diskutieren ob wir einen Schwangerschaftstest kaufen oder nicht. Zeigt er uns schon was an? Oder machen wir uns noch mehr verrückt als wir es eh schon sind. Ich habe mich derweilen vollkommen dem Haushalt verschrieben. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass sich meine Frau zu sehr an diesen Zustand gewöhnt. Nicht dass ich sonst nie etwas im Haushalt machen würde, bisher haben wir uns die ganzen Aufgaben immer gut aufgeteilt. Die Familie umgeht geschickt das KIWU-Thema aus Rücksicht auf uns. Alle außer meine Mutter. Wenn meine Schwester nicht bremsen würde, hätten wir schon eine komplette Erstlingsausstattung.

Der Tag der Blutabnahme rückte näher. Zumindest mussten wir dazu nicht nach Hamburg, sondern es war möglich, dass meine Frau das Blut beim Hausarzt abgenommen bekam und dieses dann ins KiWu Zentrum geschickt wurde zur Analyse. Das wollen sie dann lieber selbst untersuchen.

Der Termin zur Abnahme war an einem Donnerstag morgen. Wir waren so ziemlich die ersten im Wartezimmer. Tapfer ließ sich meine Frau das Blut abnehmen, wir hatten dazu alles vom KiWu Zentrum mitbekommen. Allerdings war das Abnahmesystem irgendein anderes, als der Arzthelferin vertrautes. Ich hörte aus dem Labor : „Oh je, ui damit kenne ich mich ja gar nicht mit aus…das ist ein ganz anderes System…das habe ich vor Jahren mal gelernt. Ob ich noch weiß wie das geht?“… Man, das kann doch nicht so schwer sein da ein bisschen Blut abzunehmen! Am liebsten wäre ich reingesprungen und hätte meiner Frau selbst das Blut abgenommen. Immerhin wäre das nicht das erste Mal das wir so etwas machen Kann ja nicht so schwer sein, habe ja schon oft genug zugeschaut… Immerhin waren wir nach der bisherigen Kinderwunschbehandlung schon fast im 3. Semester eines Medizinstudiums.

Die Arzthelferin hat es dann doch geschafft und ich bin direkt mit der kostbaren Probe zur Post gefahren. Diese hatte gerade aufgemacht. Den Postbeamten habe ich noch gefragt, ob der Brief denn auch am nächsten Tag in Hamburg sei. Da mir das sehr ehrgeizig erschien von Süd- nach Norddeutschland innerhalb eines Tages. Er meinte „ja in 99 % der Fälle wird die Sendung am nächsten Tag ausgeliefert.“ Ich habe mich noch gewundert und extra nochmal nachgefragt „Sicher?? Das geht nach Hamburg und ist verdammt wichtig! Verstehen Sie: WICHTIG!!!“, er machte einen Schritt nach hinten und nickte nur panisch mit dem Kopf. Gut, er muss es ja wissen, wenn einer, dann er. Somit warteten wir geduldig ab. Der Anruf sollte am Folgetag am Nachmittag erfolgen. Ich saß wie gebannt auf Kohlen. Meine Frau wollte mich sofort nach der Meldung aus dem KIWU anrufen…doch nichts. Ich prüfte mehrmals das Telefon, rief mich vom Handy selbst an, wenn der Kollege nicht im Zimmer war um zu schauen, ob das Telefon funktioniert oder nicht. Kunden und Kollegen würgte ich relativ schnell am Telefon ab, damit die Leitung frei war. Einigen Kunden hatte ich einfach erzählt, dass wir als Bank kein Geld mehr hätte, sei alles raus und wir bekommen frühstens übernächste Woche wieder welches rein. Ich hatte die Anweisung bekommen, nicht ständig bei meiner Frau nachzufragen, ob das Kiwu schon angerufen hat oder nicht….

Gegen 4 Uhr nachmittags rief meine Frau an und fragte mich um Rat. Sie hatte bislang noch immer keinen Anruf erhalten. Wir entschieden, dass sie dort anruft um nachzufragen. Keine 5 Minuten später rief sie mich zurück.Und dann….

Die Probe war nicht angekommen und Samstags würden keine Laborwerte untersucht….

Der Krimi ging also weiter. Ein ganzes Wochenende sollten wir noch warten um zu erfahren, ob es geklappt hat oder nicht!! Ich zog alle meine Schubladen auf und suchte nach einem festen Gegenstand der gut in der Hand lag. Letzendlich fiel die Wahl auf den Locher. Ich griff noch schnell nach meiner Jacke und verabschiede mich bei meinen Kollegen mit: „Bin kurz bei der Post, wird nicht lange dauern!“

Wir wollten nicht länger warten. Also sind los zur nächsten Drogerie und standen vor dem Regal mit der Riesenauswahl an Schwangerschaftstests. Welchen nimmt man nun, einen teuren, mit Schrift, ohne Schrift, den günstigsten? Es war schließlich unser erster Test den wir in den 3 Jahren Kinderwunsch kauften.

Am nächsten Morgen standen wir auf und testeten. Wir legten den Test so lange ins Bad um nicht ständig draufstarren zu müssen, bis die Zeit abgelaufen war….

Und dann … Spannung. Leise hörte ich einen Trommelwirbel und überlegte noch wo der herkommen könnte. Der Test blieb negativ. Egal wie lange wir darauf schauen und wie oft. Negativ. So ein blöder Test. Wie drückten uns und standen noch ewig im Badezimmer. Traurig war ich nach den ganzen Rückschlägen eigentlich nicht mehr, eher war ich wütend. Ich wusste nur noch nicht auf wen ich meine Wut genau konzentrieren sollte. Für den gleichen Tag hatte ich meiner Schwester versprochen beim Umzug zu helfen. Genau das was ich jetzt brauchte um wieder herunterzukommen. Abends kruschtelte ich den Test nochmal aus dem Müll und prüfte das Ergebnis nochmal aber es änderte sich nichts. Auch noch am nächsten und übernächsten Tag blieb es gleich. Wir wollte trotzdem noch das Blutergebnis abwarten, da ja der Streifen noch ungenau sein konnte. Aber auch der Anruf am darauffolgenden Montag brachte keinen neuen Erkenntnisse. Nur das was wir eh schon wusste. Also alles wieder auf Anfang. Zurück zu Los, rausgeschmissen bei Mensch ärger dich nicht. Klar, wir waren ja schon weiter als beim letzten Mal gekommen, aber halt auch nicht ans Ziel. Den nächsten Versuch wollten wir nicht gleich draufpacken. Wir entschieden uns jetzt erstmal Zeit zu nehmen. Auch der Doc, der mit meiner Frau telefonierte, meinte dass es das Beste sei, erstmal zu warten. Also taten wir das auch. Wir brauchten jetzt eh Zeit das bisher geschehene nochmal zu verdauen. Das sah ich auch meiner Frau an. Auf eine neue Achterbahnfahrt hatten wir jetzt keine Lust. Etwas Trost fanden wir dann auch in unserer Familie. Soweit man das ganze als Aussenstehender überhaupt verstehen kann. Wir versuchten den kommenden Herbst zu genießen und etwas Abstand von dem ganzen Thema zu finden. Lange Spaziergänge und viel reden. Den Sonntag hatten wir schon vor einer ganzen Weile zu unserem Tag erklärt. Das bedeutet keine aufwendigen Familienbesuche und auch keine Freunde. Einfach nur meine Frau und ich. Zudem steht der Winter quasi vor der Tür und wir überlegten ob uns ein kleiner Skiurlaub vielleicht gut tun würde. Aber Abstand von einem Thema zu nehmen das einem die letzte drei Jahre durchweg beschäftigt, an das man ständig denken muß, an das man immer erinnert wird, nach dem man oft gefragt wird und das einem viel kraft kostet das kann man nicht einfach mal so abschalten.

 Ich sitze also bei frischen Eiern und Orangensaft im Cafè Paris. Dabei beobachte ich am Nachbartisch eine glückliche Familie. Also jedenfalls dem Anschein nach. Nicht alles ist Gold was glänzt. Also mache ich mir den Spaß und überlege mir folgende Konstellation. Es ist mitten in der Woche und die ganze Familie ist beim Frühstück auswärts. Sie geht nicht arbeiten und lässt sich von ihm aus halten. Noch bevor er die Beziehungen beenden konnte, hat sie die Beziehumg durch den kleinen Jungen gerettet. Nachdem er dann wusste, dass seine Frau das Ding mit der Sekretärin spitz bekommen hatte, hat er ihr seine Liebe mit dem zweiten Kind bestätigt. Da er aber eigentlich genug von dieser Familienkiste hat und sein Da sein lieber als Lebemann verbringen möchte ist er regelmäßig auf Geschäftsreise. Nur seinen Eltern und die gesellschaftlichen Erwartungshaltung binden ihn an die Familie, dies und die Tatsache, dass ihm seine Frau finanziell die Hosen herunterlassen würde. Das sollte mir mal passieren.

Ich trottete wieder durch die Hamburger City und vertrat mir die Zeit. Irgendwie musste ich dabei immer in Bewegung bleiben. Bis ich endlich eine Nachricht auf meinem Handy ankam und zwar von meiner Frau. Sie war im Aufwachraum und wartete auf den Doc. Da ich zwischenzeitlich fast am anderen Ende der Innenstadt war, wechselte ich panisch die Richtung zurück zur Klinik. Um nicht für Panik zu sorgen, meldete ich, dass ich im Cafe im Nachbargebäude sitzen würde und gleich leer habe um zu zahlen und dann im Wartezimmer die restliche Zeit warten werde. Total verschwitzt schäle ich mich aus meiner winterfesten Daunenjacke und nehme im Wartezimmer Platz. Dabei kann ich in den nächsten 20 Minuten der ganzen Belegschaft zu sehen wie sie sich auf die Mittagszeit vorbereiten. Der Doc gibt übers Telefon seine Essenswünsche an die Damen weiter, während diese ihre Tuppern durch den Gang tragen. Dann endlich sehe ich meine Frau, wie sie in Begleitung einer Schwester den Ruheraum verlässt und den Gang hochkommt. Ich nehme die Tasche und bekomme meine Frau übergeben. Dabei schaut mich die Schwester streng an und mahnt mich den persönlichen Leibeigenen für meine Frau zu spielen. Ich bestätigte dies und fragte aber noch sicherheitshalber ob sie mich trotz des Eingriffs zur Kneipe hin und gegen später wieder abholen könnte. Da die Schwester wohl meinen Humor nicht teilte, ignorierte sie die Frage gekonnt.

Über den Bäcker zum Auto und dann zum Hotel zurück. Dort angekommen erhalte ich die ersten Befehle bezüglich der anstehenden Pflege, dazu eine Einkaufsliste mit den wichtigsten Wünschen. Dabei wäre ich auch bereit gewesen Unmögliches wahr zu machen, also quasi frisch gefangenen Fisch aufzutreiben (was in Hamburg ja nicht so schwer sein kann) aber würde ich wohl auch einen „schwimmenden Leoparden“ bekommen?? Das Problem stellte sich zu meinem Glück nicht, denn die Wünsche waren auf wenige Knabbereien und Tomatensuppe beschränkt. Den restlichen Nachmittag verbrachte ich lesend neben meiner schlafenden Frau. Da ich aber nicht jemand bin, der nicht still sitzen kann, trabte ich zunehmend wie ein Tiger im Käfig umher. Oma sagte immer Zappelphillip zu mir. Während meine Frau ihre Narkosereste ausschlief, zappte ich mich durchs Mittagsprogramm, laß, schaute aus dem Fenster und plante meine Bestellung für den Abend bei Pizza Hut, beim Thailänder, bei Mc Donalds, beim Dönerimbiss, American Diner… ich wollte für alle Essenswünsche meine Frau vorbereitet sein. Ich wüsste dann schon was ich gerne essen würde ich notierte mir die Nummer von den Menüs auf einem separaten Zettel. Den dabei aufsteigenden Hunger versuchte ich mit Keksen aus dem Fabrikverkauf zu stillen. Eins war auf jeden Fall klar, unter diesem Kinderwunsch würde nicht nur die Figur meiner Frau leiden.

Dem Anschein nach hatte meine Frau eine große Portion Narkose auszuschlafen. Da mein Hunger aber immer größer wurde und ich Angst hatte, dass mir von dem ganzen Süßkram schlecht werden würde, versuchte ich meine Frau sanft, aber zufällig zu wecken. Ich ließ mich ins Bett fallen …. nix, ich drehte den Fernseher lauter …nix, ich räusperte mich unterstützt durch einen asthmaähnlichem Husten … nix, ich stellte ihr Telefon auf laut und rief sie von meinem aus an … nix, ich trank einen großen Schluck Cola und rülpste so laut ich konnte … nix. Plötzlich klopfte es an der Tür. Es war jemand vom Service der wohl auf dem Flur die letzten Aktionen mitbekommen hatte. „Sagen sie, ist bei Ihnen alles in Ordnung? Ich habe sie zuerst husten hören und dachte sie hätten Atemnot, durch das Aufstoßen hat es sich aber wieder gelöst?? oder??“ „Äähhh, ja, ja hier ist alles paletti, wissen sie meiner Frau geht es nicht so gut … gestern ein bisschen zu viel gefeiert und so … verträgt nichts mehr. Also dann noch einen schönen Tag“ dabei schob ich die Tür wieder zu. Puuuhh ganz schön hellhörig hier. Im nächsten Moment erklang die Melodie ihrer Lieblingsserie im TV und dann …. meine Frau bewegte sich. Sie streckte sich, drehte sich zum Fernseher und fragte ob sie etwas verpasst hatte. „ Nee, gar nichts. Aber sag mal hast du nicht auch so einen riesigen Hunger?“

Am nächsten Tag ging es dann schon etwas besser und wir gönnten uns eine Spazierfahrt zu diversen Lebensmitteln Fabrikverkäufen. Wir fuhren das volle Schnäppchenprogramm. Schokolade, Suppen, Soßen, Wein, Kekse, Kaffee, Waschmittel, Shampoo, Salatsoßen, und und und. Ich kaufte wie wenn es bei uns zuhause keinen Laden mehr geben würde. Trotz aller Befriedigung die sich dadurch ergab, warten wir auf den Anruf vom Doc. Hat es diesmal geklappt? Und wenn ja, wie viele??

Als wir dann zwischen unseren jeweils kurzen Ausflügen eine Pause im Hotel einlegten, meldete sich tatsächlich der Doc. Nachdem wir noch immer die schmerzlichen Erinnerungen an den letzten Rückruf hatten, hatten wir versucht die Hoffnungen nicht mehr ganz so hoch zu schrauben. Wer hoch fliegt, fällt tief. Klar wünschten wir uns nichts größeres und keiner von uns hatte einen größeren Wunsch als dass der Doc uns nur Gutes erzählt. Wir haben aber auch gelernt, dass das Leben kein Streicheilzoo ist und uns das Schicksal auch nicht immer wohlgesonnen war, beruhigten wir uns immer wieder mit den nächsten Versuchen. Irgendwann muss es ja mal klappen. Und dann …. von den vier entnommen Eizellen konnte eine befruchtet werden und wäre, für einen Transfer, bei gleichbleibender Entwicklung, für den nächsten Tag bereit. „Na, habe ich Ihnen doch gesagt oder? Dieses Mal schaut es doch schon besser aus.“ Mit diesen Worten und noch einigen Instruktionen für meine Frau verabschiedete sich der der Doc. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Total happy verbrachten wir den restlichen Tag. Um uns dann Abends mit einem Dauergrinsen beim Italiener etwas selbst zu feiern.

Beim Transfer durfte ich dann auch dabei sein. Mit Kittel und Stulpen betraten wir den „OP-Raum“ wenn man das so nennen kann. Ich hielt die Hand meiner Frau und beobachte alles auf den Monitor. Es wurde eine Einstellung aus dem benachbarten Labor gezeigt, die Schale, der Name meiner Frau und dann der die befruchtete Eizelle. Im nächsten Moment wurde sie von der Pipette aufgesogen und kam dann life in den OP zum Doc. Einsetzen und mit dem Ultraschall den Nistplatz checken, die Pipette überprüfen und dann fertig. Fast wie wenn man normal schwanger wird, nur dass ich halt neben meiner Frau saß und alles am Bildschirm beobachten konnte. Das Kuriose war, dass das Spermium zur Befruchtung aus der frischen Probe stammte und nicht aus dem Eis. Sollten die ganzen Quälereien alle umsonst gewesen sein? Zweimal habe ich mir den Hoden aufschneiden lassen, und jetzt das? Mir soll es recht sein, aber wenn mir mal das Schicksal über den Weg läuft, kann ich für nichts mehr garantieren!

Kurze Zeit und einige Instruktionen später saßen wir wieder im Auto. Wir hatten die Rückfahrt für den nächsten Tag geplant. Im Hotel angekommen informierten wir unsere Familie. Was für mich wieder für mich neue Befehle bedeute, und zwar dieses mal von meiner Mama „Pass auf dass sie nichts Schweres hebt und lass sie nicht Auto fahren, das strengt zu sehr an. Hat sie auch immer frisches Obst?“ „Ja Mama, nein ich fahr die ganze Strecke nach Hause, natürlich alleine die 800 km ist doch ein Klacks, nein ich fahr vorsichtig, nein keine -Blinker links und dauer Lichthupe- Nummer, ja natürlich sitze ich den ganzen Tag bei ihr, nein ich lass sie nicht alleine, nein sie wird nichts Schweres tragen, ja ich weiß dann muss ich halt öfters laufen, ja ich versorge sie ausreichend mit Fleisch, frischen Gemüse und Obst, nein ich hab seit Tagen kein Alkohol getrunken“ Dabei blickte ich in Richtung Mülleimer, der einige Dosen Astra beherbergte. „Du musst Dir keine Sorgen machen Mama, wir sind doch alt genug, ja ich pass auf, ja ich lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab und ich bin seit Tagen der Flaschengeist, …. nein ich möchte dich nicht veräppeln, Du ich muss jetzt aber auch meine Dienste werden verlangt, ja wir melden uns von unterwegs, ja und wenn wir angekommen sind, natürlich, nein du musst nicht auf uns warten, nein du brauchst nichts zu kochen.“ Manchmal würde ich mir wünschen wir hätten es meiner Familie nie gesagt.

Am nächsten Tag traten wir die Rückfahrt an. Beide überglücklich aber auch mit dem Wissen, dass wir noch nicht aus der Nummer raus sind. Jetzt heißt es abwarten. Abwarten ob sich der kleine Kämpfer ein Platz sucht und sich auch weiterentwickelt. Zehn lange Tage warten bis wir mit Sicherheit wissen, dass es funktioniert hat. Stück für Stück kämpfen wir uns voran. Geprägt von Rückschlägen, Traurigkeit und Wut können wir nur daneben stehen stehen und uns unserem Schicksal ergeben. Das ist das was uns am meisten zu schaffen macht. Aber nun erscheint alles in greifbare Nähe und die Hoffnung flammt auf wie ein Molotow Cocktail der explodiert.